5. Juli 2024

Sind Verteidigungsinvestitionen nachhaltig?

handelsblatt - Gastbeitrag von Elena Mock, Head of ESG Office, Warburg Invest

Im ESG Office der Warburg Invest beschäftigen wir uns intensiv mit der ethischen Frage, ob Investitionen in den Verteidigungssektor nachhaltig sein können. Im Rahmen des kommenden Handelsblatt-Events zu ESG-Reporting und -Steuerung 2024 möchte ich die komplexen Aspekte der Klassifizierung von Waffen als nachhaltige Investitionen beleuchten.

Beginnen wir mit einer provokanten Frage: Sollte konventionelle Rüstung als nachhaltige Investition klassifiziert werden? Bei konventioneller Rüstung geht es um Waffen, die nicht durch internationale Verträge geächtet wird. Trotzdem würden die meisten intuitiv antworten, dass Waffen, die Schaden verursachen, nicht nachhaltig sein können. Lange Zeit galt zumindest in Deutschland der Glaubenssatz „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“. Die Frage der Einordnung ist jedoch differenzierter zu beantworten. Die Diskussion über Verteidigungsinvestitionen berührt unvermeidlich den aktuellen Konflikt in der Ukraine und breitere geopolitische Spannungen. Im November 2023 forderten die europäischen Verteidigungsminister in einem Joint Statement die Finanzwirtschaft der EU auf, Diskriminierungen des Verteidigungssektors abzubauen. Finanzminister Lindner hat sich an relevante, deutsche Verbände gewandt, um zu prüfen, ob Rüstungsunternehmen unter bestimmten Umständen als nachhaltig klassifiziert werden können. Diese Forderungen resultieren aus der veränderten Sicherheitslage durch den Ukraine-Krieg und die damit verbundene Notwendigkeit, die Verteidigungsfähigkeit Europas zu stärken.

Dies führt uns im Asset Management zu einem ethischen Dilemma: Können wir Verteidigungsinvestitionen unter dem Banner der Nachhaltigkeit rechtfertigen? Russlands Angriff auf die Ukraine ist völkerrechtswidrig. Der Vergleich mit dem Irak-Krieg zeigt jedoch, dass die Anwendung des Völkerrechts als Argument in der ethischen Diskussion oft selektiv ist. Dies macht es umso wichtiger, klare und transparente Kriterien für die Nachhaltigkeitsklassifizierung von Rüstungsunternehmen zu etablieren. In Europa zeigen sich gemischte Reaktionen auf die Forderung, Rüstungsunternehmen in Nachhaltigkeitsfonds aufzunehmen. Während deutsche Banken und Asset Manager konventionelle Waffen weiterhin ausschließen, haben einige nordische Banken ihre Richtlinien bereits gelockert.

In der Frage der Nachhaltigkeitsklassifizierung gilt es neben der Art der Waffe auch zu betrachten, welche Kunden beliefert werden. Diese Informationen sind öffentlich zugänglich, im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung, zu finden. Aus dem Bericht geht hervor, dass deutsche Rüstungsproduzenten hauptsächlich EU- und NATO-Mitgliedsstaaten und auch sogenannten NATO-gleichgestellte Staaten beliefern. Allerdings stehen auch Länder wie China, Mexiko, Indien und das viel diskutierte Saudi-Arabien auf der Exportliste. Sind auch diese Exporte per se als nachhaltig zu klassifizieren oder kann den Rüstungsproduzenten abverlangt werden, eigene ethische Mindeststandards an die Auswahl Ihrer Kunden anzulegen, die über die Genehmigung der Bundesregierung hinausgehen?

Während wir uns in diesem schwierigen Terrain bewegen, appelliere ich an eine offene, informierte Debatte, die sicherstellt, dass unsere Investitionsentscheidungen mit den breiteren gesellschaftlichen Werten und ethischen Standards übereinstimmen. Lassen Sie uns gemeinsam die Nachhaltigkeit neu definieren und die Komplexität unserer modernen Welt anerkennen.

Den vollständigen Beitrag finden Sie hier: https://live.handelsblatt.com/sind-verteidigungsinvestitionen-nachhaltig/